Divertikulitis

Divertikulose und Divertikulitis
Therapie am Verlauf orientieren

Divertikel des Dickdarms können sich je nach Stadium und Verlauf unterschiedlich äussern. Die Palette reicht von «asymptomatisch» über Bauchschmerzen und Stuhlunregelmässigkeiten bis hin zu schweren Verläufen mit Entzündungsfolgen (Fisteln, Abszesse, Perforationen) und Blutungen. Daher muss auch das therapeutische Vorgehen individuell festgelegt werden.

Die Prävalenz der Divertikelkrankheit wird in Europa zwischen 20 und 60 Prozent angegeben. Mit zunehmendem Alter kommt es zu einer hohen Prävalenz der Divertikulose in den westlichen Industrienationen. Das Auftreten der Divertikelkrankheit vor dem 40. Lebensjahr stellt eine Ausnahme dar, die Häufigkeit jenseits des 70. Lebensjahres wird mit 70 bis 80 Prozent angegeben. Insgesamt handelt es sich also um ein häufiges Krankheitsbild.
Pathologisch-anatomisch sind erworbene Pseudodivertikel Ausstülpungen der Mukosa und Submukosa im Bereich präformierter Muskellücken der Darmwand durch die Blutgefässe (Abbildungen 1 und 2), bevorzugt im Sigmabereich (Abbildung 3). Als Ursache wird die vermehrte Rigidität und nachlassende Dehnbarkeit der Darmwand ebenso wie ein erhöhter Darminnendruck angenommen. Im Gefolge einer Einengung des Darmlumens und Segmentierung kommt es zu einer segmentalen Druckerhöhung und einem Mukosaprolaps (Abbildung 4). Ernährung mit rotem Fleisch und hoher Fettkonsum erhöhen das relative Risiko, Divertikel zu entwickeln, signifikant. Umgekehrt reduzieren Ballaststoffe das Risiko, an einer Divertikulose zu erkranken, signifikant. Es konnte bereits früh gezeigt werden, dass Vegetarier ein signifikant geringeres Risiko haben, an Kolondivertikeln zu erkranken.

Terminologie 1
Divertikulose
Asymptomatische Divertikel
Divertikel-Krankheit
Symptomatische Divertikel (Schmerzen, Meteorismus, Blähungen, Diarrhö)
Divertikulitis
Entzündung der Divertikel
Entzündung der Divertikel Perforation, Abszess, Fistel, Striktur

Definitionen und Krankheitsverläufe

Lokalisation der DivertikuloseAbbildung 1: Intraoperativer Aspekt der PandivertikuloseEine Divertikulose liegt vor, wenn der Patient keine Symptome klagt, sie hat also per se keinen Krankheitswert. Unter Divertikelkrankheit versteht man Patienten mit Divertikeln und Symptomen wie Schmerzen, Meteorismus, Blähungen und Diarrhö. Hier ist die Abgrenzung zu Patienten mit einem Reizdarmsyndrom problematisch. Die unkomplizierte Divertikulitis beschreibt eine Entzündung der Divertikel, die auf die Darmwand beschränkt bleibt. Facetten der komplizierten Divertikulitis sind Perforation, Abszess, Fistel und Striktur (Kasten 1) (1).
Die Analyse der Verlaufsmuster zeigt, dass etwa 75 Prozent der Divertikelträger klinisch asymptomatisch sind (Abbildung 5). 25 Prozent der Patienten entwickeln Symptome im Sinne einer Divertikelkrankheit. Unter diesen treten bei 25 Prozent Blutungen und bei 75 Prozent eine Divertikulitis auf. Eine Divertikulitis kann wiederum bei 25 Prozent der Patienten kompliziert verlaufen.

Kasten 1: Terminologie (1)

Divertikulose: Asymptomatische Divertikel

Divertikelkrankheit: Symptomatische Divertikel (Schmerzen, Meteorismus, Blähungen, Diarrhö)

Divertikulitis: Entzündung der Divertikel

Komplizierte Divertikulitis: Perforation, Abszess, Fistel, Striktur

Stadieneinteilung

Lokalisation der DivertikuloseAbbildung 2: Endoskopischer Aspekt von DivertikelnEine generell akzeptierte Stadieneinteilung der Divertikelkrankheit gibt es nicht. Eine pragmatische, klinisch orientierte Stadieneinteilung unter Einbeziehung von CT-Kriterien haben Hansen und Stock entwickelt (3) (Kasten 2). Diese Einteilung umfasst sowohl das Stadium der asymptomatischen Divertikulose wie auch die Situation der chronisch-rezidivierenden Divertikulitis. Im Wesentlichen wird dann die akute unkomplizierte Divertikulitis (Stadium I) von der akuten komplizierten Divertikulitis (Stadium II) abgegrenzt. Diese wird wiederum unterschieden in das Stadium IIa (Peridivertikulitis, Phlegmone), das Stadium IIb (abszedierende Divertikulitis perikolisch bzw. gedeckte Perforation) sowie das Stadium IIc (freie Perforation) (3). Diese Einteilung spiegelt das dreidimensionale Geschehen der Entzündung in der und über die Darmwand hinaus wider und hat therapeutische Implikationen. So ist allgemein akzeptiert, im Stadium IIb und IIc operativ zu intervenieren.

Symptome und Befunde

Das klinische Bild bei der Divertikulitis hängt davon ab, ob und in welchem Ausmass entzündliche Veränderungen beziehungsweise Komplikationen vorliegen. Die klassische klinische Situation ist das Bild der Linksappendizitis mit Spontanschmerz im linken Unterbauch. Bei der Palpation ist ein Druckschmerz im linken Unterbauch provozierbar. Gegebenenfalls besteht eine lokale Abwehrspannung (Kasten 3). Weiterhin kann es zum Auftreten von Fieber und zu veränderten Stuhlgewohnheiten kommen. Ein Teil der Patienten klagt über dysurische Beschwerden. Im Rahmen der differenzialdiagnostischen Abklärung sind gynäkologische (z.B. Adnexitis) und urologische Erkrankungen (z.B. Nephrolithiasis) ebenso zu berücksichtigen wie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (M. Crohn, C. ulcerosa), ischämische Darmerkrankungen oder Infektionen.
Hilfreich ist die Bestimmung von Entzündungsparametern (Leukozyten, CRP). Im Sonogramm lässt sich ein echoarmer Hof um die echoreichen Divertikel erkennen, zudem können Nekrosestrassen dargestellt werden. Die Sensitivität und Spezifität des Ultraschalls ist jedoch stark von der Erfahrung des Untersuchers abhängig. In der letzten Zeit ist die Bedeutung der Computertomografie für die Diagnose der Divertikulitis herausgearbeitet worden. Es konnte gezeigt werden, dass die CTDiagnose eines Abszesses prognostische Relevanz hat, da man bei diesem Befund mit einem hohen Risiko rechnen muss, dass die konservative Therapie versagt (4).

Mögliche schwere Verläufe

Lokalisation der DivertikuloseAbbildung 3: Lokalisation der DivertikuloseDie Divertikelblutung tritt mitunter massiv und schmerzlos auf. Bei zirka 40 Prozent aller unteren gastrointestinalen Blutungen wird eine Divertikelblutung gefunden. Die meisten Blutungen sistieren spontan. Die Rezidivrate wird mit 50 Prozent ange geben. Die akute komplizierte Divertikulitis geht mit einer relevanten Mortalität von bis zu 6 Prozent einher. In dieser Situation ist eine engmaschige Abstimmung mit den Viszeralchirurgen notwendig. Für dieses Vorgehen hat sich die Einrichtung von sogenannten Bauchzentren beziehungsweise Bauchstationen, die kooperativ von Gastroenterologen und Viszeralchirurgen geleitet werden, bewährt. Als Risikofaktoren bei einer akuten komplizierten Divertikulitis gelten Komorbiditäten

Divertikulitis – pragmatische Stadieneinteilung (nach 3)

Bei symptomatischer unkomplizierter Divertikelkrankheit des Kolons hat sich das Probiotikum E. coli Nissle 1917 als hilfreich erwiesen (5). Neue Daten zeigen den positiven Nutzen von Mesalazin bei Patienten mit Divertikelkrankheit, aber auch bei Patienten nach unkomplizierter Divertikulitis in Bezug auf die Zahl der Divertikulitisrezidive.

Stadium Klinik/Befunde
0 Asymptomatische Divertikulose
I Akute unkomplizierte Divertikulitis
II Akute komplizierte Divertikulitis
IIa Peridivertikulitis
IIb Gedeckte Perforation
IIc Freie Perforation
III Chronisch-rezidivierende Divertikulitis

Kasten 3: Divertikulitis – klinische Zeichen und Labor

  • Schmerzen im Unterbauch, bevorzugt links
  • tastbare Walze
  • Durchfälle oder Stuhlverhalt
  • gelegentlich Fieber
  • BSG- oder CRP-Erhöhung

Wann operieren?

In der letzten Zeit hat der Themenkomplex Divertikulose-Divertikulitis durch Neubewertung des Risikos eines weiteren entzündlichen Schubes und damit die Planung des Operationszeitpunktes hohe Aktualität gewonnen. Aufgrund neuerer Daten zum Spontanverlauf nach akuter Divertikulitis wird im Unterschied zu den früheren Untersuchungen das Risiko eines ersten Rezidivs bei einem Follow-up von neun Jahren mit 13 Prozent angegeben. Das Risiko für ein zweites Rezidiv lag bei 4 Prozent (6). Deshalb wird abweichend von früheren Empfehlungen die Sigmaresektion erst nach dem dritten entzündlichen Schub empfohlen.
Bei unkomplizierter Divertikulitis ist entsprechend den aktuellen Empfehlungen der Amerikanischen Gesellschaft für Koloproktologie die Anzahl der Schübe für die Indikation zur elektiven Operation von geringerer Bedeutung. Dagegen sollte ein solcher Eingriff beim ersten Schub einer komplizierten Divertikulitis unter Berücksichtigung eines CT-Gradings erfolgen (7).

Literatur unter www.allgemeinarzt-online.de/downloads/literaturliste.html

Alle Abbildungen von Andreas Tromm.

Prof Dr. med. Andreas Tromm
Kinik für Innere Medizin
Evangelisches Krankenhaus Hattingen GmbH
Akademisches Lehrkrankenhaus
der Ruhr-Universität Bochum
D-45525 Hattingen
Interessenkonflikte: keine deklariert
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 19/2008.
Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.